Als Martin Walser 1998 seinen Roman "Ein springender Brunnen" veröffentlichte, in dem er das Leben seines Alter ego Johann zwischen 1932 und 1945 erzählt, wurde ihm von einem Kritiker vorgeworfen, dass in diesem Roman Auschwitz nicht einmal erwähnt wird und somit eine Vergangenheit verharmlost wird, die Walser seinerseits nur aus der Perspektive seiner Hauptfigur zu erzählen vorgab, das heißt ohne sie durch nachträglich erworbenes Wissen zu filtern.Die Erinnerung in diesem Roman, der zum Teil dramatischste Ereignisse aus dieser Zeit auslässt, stößt sozusagen frontal mit der offiziellen Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit zusammen und entspricht keineswegs den Erwartungen, denen im Gegenteil der literarische Hochstapler Bruno Doessekker so treffend entgegenkam, als er unter dem Namen Binjamin Wilkomirski angebliche Kindheitserinnerungen aus dem KZ veröffentlichte, die ihrerseits allerdings von der Kritik begrüßt wurden.Die Art und Weise, wie Walsers Roman aufgenommen wurde, stellt die Frage der Koexistenz eines offiziellen Gedächtnisses und einer aus persönlichen Erlebnissen gespeisten Erinnerung, die sich bisweilen sogar ausschließen, wenn sie im Widerspruch miteinander stehen, die aber auch zu einer dialektischen Erarbeitung des Kollektivgedächtnisses beitragen können. Gleichzeitig wirft die durch den Roman ausgelöste Debatte das Problem der Kontrolle über die Erinnerung der Augenzeugengeneration auf, wenn nicht gar der Enteignung der Erinnerung durch den ritualisierten Vergangenheitsdiskurs, wie es Imre Kertesz formuliert hat.

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